Die Anfänge in Deutschland

Das Muster, daß das Fahrrad-Trial nach dem Vorbild des Motorrad-Trials dort entstand, wo der Motorrad-Trialsport neu war, galt auch für Deutschland. Die Begeisterung für das Neue sprang im Umfeld von Trialklubs und Trialveranstaltungen auch auf Kinder und Jugendliche über, die das Gesehene mangels der Möglichkeit, schon Motorrad fahren zu können, eben mit dem Fahrrad umsetzten. Der Motorrad-Trialsport war in Deutschland um 1960 neu – in jenem Jahr wurde die deutsche Trialmeisterschaft eingeführt. Und ebenso auch in den siebziger Jahren, als der Trialsport einen ungeheuren Aufschwung und eine starke Ausdehnung erlebte und somit vielerorts neu entdeckt wurde. Aus diesen Zeiten stammen die bisher bekannt gewordenen und auf dieser Seite nachzulesenen Fälle von frühem Fahrrad-Trial in Deutschland bis 1974 (Ebstorf, Kiefersfelden, Moosen, Schatthausen, Röhrnbach). Fast immer war es so, daß die besten und motiviertesten der frühen Fahrrad-Trialer zum Motorrad-Trial überwechselten, sobald sich ihnen die Möglichkeit dazu bot. Dadurch endeten die frühen Fahrrad-Trialaktivitäten bald wieder und gerieten in Vergessenheit.

Kirchner Hütte in Bad Nauheim
Die Kirchner Hütte in Bad Nauheim, Treffpunkt zum ersten Fahrrad-Trial am 25.05.1974

Das war in Bad Nauheim anders. Das Fahrrad-Trial, das ich erstmals am 25. Mai 1974 als damals 15jähriger (Gernot Menke, * 19.08.1958) organisierte (siehe hierzu „Bad Nauheim (1974-1988“)), wurde aufgrund der nachfolgend beschriebenen Umstände nun nicht wieder vergessen, sondern zum Ausgangspunkt der heutigen Entwicklungslinie des Fahrrad-Trials in Deutschland. Die deutsche Entwicklung wiederum übte einen wichtigen Einfluß auf Katalonien/Spanien aus, wo das Fahrrad-Trial fast zeitgleich ebenfalls entstanden war, und auch auf die Entwicklung des Fahrrad-Trials weltweit – siehe hierzu die drei Kapitel „Felix Krahnstöver und Pere Pi“, „Die Kunde vom deutschen Fahrrad-Trial“ und „Pere Pi macht das Fahrrad-Trial zu SEINER Angelegenheit“.

Das Fahrrad-Trial in Bad Nauheim war insofern ungewöhnlich, als es in Bad Nauheim nichts gab, was irgendwie mit Trial zu tun gehabt hätte. Das Trial wurde durch die Lektüre eines Buches angeregt: „Sport mit Motorrädern“ von Crius alias Christian Christophe. Der Kanadier Desmond Lee hat in seinem Video „Leaps&Bounds – The Story of BikeTrial“ (2006) bereits davon berichtet. Ich war überzeugt, daß Trialsport mit Fahrrädern möglich und sinnvoll war und ging davon aus, daß das Fahrrad-Trial zu Unrecht „übersehen“ worden war, weil der Radsport den Trialsport nicht kannte und der Motorrad-Trialsport kein Interesse an Fahrrädern hatte. Es ärgerte mich, daß es zwar Geschicklichkeitsturniere wie den „Meister auf zwei Rädern“ des ADAC gab, aber nicht das viel interessantere Fahrrad-Trial. Deswegen veranstaltete ich am 25. Mai 1974 mein erstes Fahrrad-Trial in Bad Nauheim als eine bewußte Demonstration für das Fahrrad-Trial. Entsprechend habe ich von Anfang an darüber berichtet und Werbung für das Fahrrad-Trial gemacht, zunächst im damaligen DTSG (Deutsche Trialsport-Gemeinschaft)-Mitteilungsblatt FAHRERLAGER, später dann in der Zeitschrift TRIALSPORT, die 1976 vom deutschen Motorrad-Trialmeister Felix Krahnstöver gegründet wurde (und noch immer existiert).

Wie häufig im Leben, waren es aber vor allem persönliche Begegnungen, die den weiteren Verlauf der Entwicklung des Fahrrad-Trials beeinflußten. Am 21. August 1976 traf ich bei einem Lauf zur deutschen Motorrad-Trialmeisterschaft in Bad Sooden-Allendorf zufällig Günter Schlieper (1935-2016), der mir als Vorsitzender der Deutschen Trialsport Gemeinschaft (DTSG) vorgestellt wurde und zugleich Vorsitzender des Motorsportclubs „Weser-Solling“ in Fürstenhagen war. Deswegen erzählte ich ihm am Rand einer Sektion, daß mein inzwischen sechstes Fahrrad-Trial in Bad Nauheim zwei Wochen zuvor wiederum ein voller Erfolg gewesen war und daß bei einem vorhergehenden Trial über fünfzig Teilnehmer am Start gewesen waren. Er hörte mir schweigend zu und es war ihm anzusehen, daß er überrascht und beeindruckt war. Wenige Wochen später las ich in TRIALSPORT die Ankündigung, daß der MSC Weser-Solling in Fürstenhagen im folgenden Jahr einen Pokalwettbewerb für Fahrräder austragen wolle. Das war der Beginn des „Velo-Trialpokals“ (VTP) in Fürstenhagen ab 1977.

VTP Ankündigung von 1977 in TRIALSPORT 10/Dezember 1976, S. 22.

Beim Velo-Trialpokal, der in den ersten beiden Jahren ein regionaler Wettbewerb im Raum Fürstenhagen war, sollte sich erneut ein persönlicher Kontakt als bedeutsam erweisen. Günter Schlieper war gut mit Felix Krahnstöver bekannt, der oft nach Fürstenhagen kam, wo regelmäßig Läufe zum Norddeutschen Trialpokal (NTP) oder zur Deutschen Trialmeisterschaft stattfanden. Zudem hielt Krahnstöver als deutscher Meister am Ende der Saison immer den Triallehrgang der Deutschen Trialsport Gemeinschaft auf dem Fürstenhagener Gelände ab. Günter Schlieper nutzte die Anwesenheit von Felix Krahnstöver beim DTSG-Lehrgang und hielt zeitgleich die Endsiegerehrung des Velo-Trialpokals ab, damit die Kinder und Jugendlichen ihre Pokale aus der Hand des deutschen Meisters überreicht bekamen. Im Herbst 1978 wurde Felix Krahnstöver bei dieser Gelegenheit ein kleiner Demonstrationsfilm über das Fahrrad-Trial vorgeführt, den die Fürstenhagener inzwischen gedreht hatten, um bei anderen Vereinen für das Fahrrad-Trial zu werben. Zudem sah er eine Trial-Vorführung der Fürstenhagener Jungs mit ihren Fahrrädern auf dem Gelände. Felix Krahnstöver, der wie viele dem Fahrrad-Trial bis dahin wenig Beachtung geschenkt hatte, war überrascht und begeistert und schrieb im Dezemberheft von TRIALSPORT einen enthusiastischen Leitartikel über das Fahrrad-Trial.

Leitartikel in TRIALSPORT 34 (Dez. 1978)