Pere Pi macht das Fahrrad-Trial zu SEINER Angelegenheit

Für Pere Pi sprach nun alles für eine Fahrrad-Produktion. Zunächst einmal gab es das positive Vorbild des Kinder-Trialmotorrads Montesa Cota 25, das damals noch produziert wurde und einige Jahre zuvor zur Zeit des Aufschwungs des Motorrad-Trials ein großer kommerzieller Erfolg gewesen war. 1 Ein solcher Aufschwung schien sich nun auch beim Fahrrad-Trial anzubahnen und einen Verkaufserfolg von Trialfahrrädern zu garantieren. Zugleich schwappte das BMX aus Kalifornien nach Europa. Pere Pi versuchte auch hier, mit einem auf der Basis des 20 Zoll-Trialfahrrads aufgebauten BMX-Rad, dem C-10, auf den Zug der Zeit aufzuspringen. 2 Der Umstand, das sich beide Offroad-Disziplinen des Motorradsports, das Trial wie auch das Cross, nun offenbar auch zu Radsport-Disziplinen entwickelten, dürfte seine Erwartungen an einen Erfolg einer Fahrradproduktion bestärkt haben. Dem wirtschaftlichen Verkaufsinteresse entsprach das Interesse an einer Förderung des Fahrrad-Trials und des BMX. Hinzukam der Aspekt, daß Pere Pi in beiden Disziplinen, im Trial und im Moto Cross, spanischer Meister gewesen war. Hieraus ergab sich neben dem wirtschaftlichen auch ein emotionales Interesse an einer Förderung von Ot in diesen beiden Bereichen – Ot trat anfangs ja auch beim BMX an. Wenn Ot kein erfolgreicher Moto Cross- oder Trialfahrer auf dem Motorrad wurde, dann eben mit dem Fahrrad. Wirtschaftliche, organisatorische und persönliche Interessen gingen Hand in Hand. Pere Pi machte das Fahrrad-Trial nun ganz zu seinem eigenen Ding und er hatte bei Montesa auch die Möglichkeiten dazu. 3

ADAC Broschüre Fahrradtrial

Pere Pi holte sich jetzt Andreu Codina (Andreu Codina i Candelas, * 1964) zu Montesa, den damals besten Fahrrad-Trialer aus San Feliu de Codines, der 1978 und 1979 auf einem Figueras katalanischer Meister wurde, um mit ihm ein richtiges Trialfahrrad für ältere Jugendliche zu entwickeln, das T-15. Codina wurde damit als Fünfzehnjähriger zum ersten Werksfahrer im Fahrrad-Trial und zugleich auch zu so etwas wie einem persönlichen Trainer des um sechs Jahre jüngeren Ot. Als Grundlage zur Entwicklung des T-15 sammelte Pi die Daten der bestehenden Trialfahrräder, des Figueras, er studierte die Doppelbrückengabel von Eliseu Sellès in Sabadell, deren Einfluß sich später im T-15 wiederfand und er beauftragte Felix Krahnstöver, die Fahrräder in Fürstenhagen zu vermessen. Parallel dazu wurde die Serienproduktion der Trialfahrräder von Ot, in denen noch keine systematische Entwicklungsarbeit steckte, 4 als T-5 und T-10 vorangetrieben. 5

Quelle: TRIALSPORT 42 (Aug. 1979) S.28

Als Felix Krahnstöver ím Sommer 1979 erneut zu Pere Pi kam, brachte er aus Fürstenhagen die Daten der Schlieper-Fahrräder und zudem den schon erwähnten Werbefilm für das Fahrrad-Trial mit, den die Fürstenhagener gedreht hatten. Felix Krahnstöver schrieb mir 1990 in einem Brief: „er (Pere Pi) besorgte ein Vorführgerät, und so kam es zur spanischen Uraufführung eines Super 8-Streifens von Schlieper aus Fürstenhagen, auf dem die Jungs beim Training zu sehen waren. Übrigens war an diesem Abend auch Mr. Canellas anwesend; er war und ist der Direktor des Montesa-Werkes. (…)
Bei meinem nächsten Besuch (demnach im Herbst 1979) hatte er in der heimischen Garage bereits die ersten Prototypen zusammengestrickt (…)“ 6

 

 

 

  1. https://ca.wikipedia.org/wiki/Montesa_Cota_25 vom 14.03.2019
  2. Im BMX-Kapitel in den Memoiren von Pere Pi ist die früheste erwähnte Zeitangabe das Jahr 1982, alle anderen Daten liegen später. Gleichwohl ist in der Überschrift des Kapitels von 1976 die Rede, dem angeblichen Baujahr des Montesita T-10, auf dessen Basis das C-10 entstand; Pere Pi: No tengo 200 años, 2012, S. 317-321.
  3. Nach dem Einverständnis seines Chefs zu seinen Fahrrad-Aktivitäten befragt, antwortete Pere Pi im Interview für Retrotrials: „Ich war der Chef, ha ha ha“; https://www.retrotrials.com/15–pere-pi—off-road-motorcycle-pioneer-and-montesa-development-boss.html vom 11.03.2019
  4. In seiner Vorstellung des T-10 schrieb Felix Krahnstöver: „Lenkerböcke und Steuerkopflager sind von der Cota 349, es geht also kaum noch stabiler“; TRIALSPORT Nr. 47, Februar 1980, S. 41. Andreu Codina bezeichnete das T-10 in der Gegenüberstellung zum Figueras und zum T-15 rückblickend als „Schrott“ – es sei „für das Fahrrad-Trial nicht geeignet“ gewesen; https://www.retrotrials.com/page-5—2013-feature-interview—andrew-codina.html vom 12.03.2019. Der große qualitative Unterschied zwischen dem T-5 und dem T-10 einerseits und dem T-15 andererseits ist auf dem 1981 aufgenommenen Werbefoto nicht nur an den Fahrrädern selbst, sondern auch an den Gesichtern der abgebildeten Kinder abzulesen! https://ca.wikipedia.org/wiki/Montesita#/media/File:Montesita_T-15_brochure_1981.png
  5. Das T-10 wurde ab November 1979 verkauft, acht Monate nach dem Besuch von Felix Krahnstöver; https://ca.wikipedia.org/wiki/Montesita vom 04.04.2019. Das T-5 folgte 1980 erst etwas später. In der Vorstellung des T-10 in TRIALSPORT Nr. 47 (Februar 1980), schreibt Krahnstöver auf Seite 40: „Demnächst wird es dann noch die MONTESITA T5 geben.“
  6. Brief von Felix Krahnstöver an mich vom 18.10.1990